Dirk Lenz über die Förderung von innovativen Sozialunternehmen.
Mit Good24 wandeln wir Provisionen aus Versicherungen in die soziale Währung goodcents und schaffen eine neue Form des Spendens.
Good24 ist ein sozialer Versicherungsmakler, der Menschen dazu befähigen möchte, allein durch ihre Alltagsgeschäfte nachhaltige Ideen zu fördern, Gutes zu tun und die Welt ein bisschen besser zu machen. Wie das genau funktioniert und wie sie auf die Idee kamen, berichtet Dirk Lenz im Interview.
Interview: Daniela Mahr, Dezember 2020
Foto: Good24
Good24 setzt 100% des Gewinns für die Förderung von innovativen Sozialunternehmen ein.
Dirk, danke, dass du dir die Zeit nimmst. Erzähl' uns doch ein wenig mehr zu dem besonderen Konzept von Good24 ...
Sehr gerne! Jedes Jahr fließen mehr als 15 Milliarden Euro an Versicherungsprovisionen. Good24 nutzt diese sinnstiftend und wandelt bei Übertragung 100% des Gewinns für die Förderung von innovativen Sozialunternehmen um. Das Besondere: es geht ganz einfach online in wenigen Minuten, ohne Wechsel der bestehenden Versicherungen und ohne einen Cent extra zu bezahlen. Wohin die Förderung fließt entscheiden die Kund:innen selbst durch die dafür eigens entwickelte goodCents Community Plattform.
Was habt ihr vor Good24 gemacht und wie habt ihr euch gefunden?
Christian und ich haben bereits 2016 unsere Maklergesellschaften zusammengelegt und einen gemeinsamen Versicherungsmakler gegründet. Als dann im Januar 2020 klar war, dass wir meine 15 Jahre alte Idee eines sozialen Versicherungsmaklers mit Hilfe der Impact Factory umsetzen, wurde uns sehr schnell bewusst, dass uns die Expertise im Bereich Impact fehlt. Wir waren ja Versicherungsprofis. Ein Glück, dass wir bereits an unserem ersten Tag in Duisburg Jens Konrad kennengelernt haben, selbst Sozialunternehmer und Zukunftsforscher. Seine Kompetenz hat Good24 erst zu dem gemacht, was es heute ist: ein Sozialunternehmen mit angeschlossenem Versicherungsmakler.
Wie funktioniert das System hinter Good24 genau?
Good24 funktioniert ganz simpel: wir nehmen mit der Good24 Versicherungsmakler GmbH das, was eh schon da ist, nämlich die bestehenden Versicherungen unserer vorhandenen und zukünftigen Kund:innen, betreuen diese verantwortungsvoll und bekommen dafür von den meisten Versicherungsgesellschaften Provisionen. 100% der Gewinne aus diesen Provisionen wandeln wir in unsere soziale Währung goodCents um. Pro Versicherung erhalten unsere Kund:innen jedes Jahr 1.000 goodCents, mit denen sie selbst bestimmen können, welche Projekte gefördert werden sollen. Den restlichen Teil leiten wir selber in die nachhaltigen Projekte, die wir zuvor zusammen mit unserem Kuratorium ausgewählt haben.
Ergänzt wird das Angebot zum einen im Bereich der betrieblichen Versorgung, zum anderen sind natürlich auch Neuabschlüsse von Versicherungen möglich, die entweder direkt online oder im persönlichen Gespräch durchgeführt werden können. Diese beiden letzten Punkte führen zu einer deutlichen Steigerung der sozialen Wirkung, da dort meist höhere Provisionen fließen.
Welchen Weg musstet ihr gehen, damit dieses System funktionieren kann?
Die erste Herausforderung war die Vielfalt an Rechtsformen bei Sozialunternehmen zu berücksichtigen, die vor allem bei der Förderung eine wichtige Rolle spielen. Viele Start-Ups müssen eine klassische Gesellschaftsform (GmbH etc.) wählen, weil sie im Wettbewerb stehen und keinen Gemeinnützigkeitsstatus bekommen oder wollen. Zum anderen wollten wir ein Konstrukt schaffen, das mehr Transparenz schafft, besonders bei der Verwendung der Gewinne.
Daher haben wir uns ein gemeinnütziges Dach gegeben, die Good24 gGmbH. Diese hat eine 100%ige Tochter, die Good24 Impact Venturing UG. Mit dieser Tochter können wir dann auch nicht gemeinnützige Projekte fördern. Diese beiden, die Good24 gGmbH und die Good24 Impact Venturing UG haben zusammen die Good24 Versicherungsmakler GmbH als jeweils 50%ige Tochter. So schließt sich der Kreis und alle Gewinne fließen nach oben in die Good24 gGmbH. Dadurch sind keine privaten Gewinnentnahmen möglich. Zudem wird die Mittelverwendung in jährlichen Geschäftsberichten offen gelegt.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Digitalisierung, die gerade in der Versicherungsbranche noch eine große Herausforderung darstellt. So haben wir neben unserem digitalen Versicherungsordner, der das Übertragen von Versicherungen in wenigen Minuten möglich macht, auch digitale Hilfsmittel wie Videoberatung, E-Signature oder CRM-Datenbanken. Erst dadurch lassen sich Kosten reduzieren und Prozesse optimieren, so dass am Ende nicht nur ein deutlich besseres Kundenerlebnis entsteht, sondern auch mehr Gewinne für mehr Wirkung.
Ich beschloss, diese Leuchtturm-Projekte mit meiner Expertise zu unterstützen.
Was
war der Anstoß, der dich zu der Entscheidung brachte, von der
klassischen Versicherungsindustrie in das Sozialunternehmertum zu
wechseln?
Wer mich schon etwas besser kennt weiß, dass ich regelmäßig wegen politischen Magazinen und Talkshows verzweifle. Ich kann vieles, was Wirtschaft und Politik machen einfach nicht nachvollziehen.
Im Dezember 2019 hatte ich dann das große Glück Christine Bleks, die Gründerin von Tausche Bildung für Wohnen, kennen zu lernen. Von ihr hörte ich zum ersten Mal davon, was Sozialunternehmen sind und wie diese bereits heute Lücken im System auf innovative Weise schließen. Was fehlt ist oft die Finanzierung.
Dies war der Impuls, den ich brauchte, um meine Idee, die vor 15 Jahren entstand, weiter zu verfolgen. Ich beschloss, diese Leuchtturm-Projekte mit meiner Expertise zu unterstützen: Versicherungen. Christine bin ich für ihre Beharrlichkeit und ihre Unterstützung sehr dankbar.
Man
kann mit den bestehenden Versicherungen also zu euch wechseln oder auch
nach Bedarf neue abschließen. Worauf achtet ihr bei den Versicherungen,
die ihr anbietet (z.B., dass mein Geld nicht in Rüstung o.ä. investiert
wird)?
Das ist ein sehr spannender Punkt. Leider ist der Versicherungsmarkt noch sehr verkrustet und ein Riesengeschäft für alle Beteiligten. Da ist es kaum verwunderlich, dass Veränderungen eher misstrauisch beäugt werden. Es gibt aber zunehmend Bestrebungen, einzelne Tarife nachhaltig zu gestalten, was wir beobachten und auch unterstützen. Ein erster Schritt muss sein, Transparenz zu schaffen. Deshalb gibt es in unserem Vergleichsrechner (DVO) einen Knopf „Nachhaltige Tarife anzeigen“. So kann die bestehende Versicherung, wenn gewünscht und möglich, ganz leicht gegen eine nachhaltige getauscht werden. Bei Neuberatungen ist das Nachhaltigkeitsthema fester Bestandteil.
Und der beste Weg, Nachhaltigkeit in die Versicherungstarifwelt zu bringen, ist schlicht eigene Tarife mit innovativen Versicherern zu erstellen. Im nächsten Jahr (2021) darf man auf die ersten Good24 gebrandeten Tarife gespannt sein. Von der grünen „Tiny Haus-Versicherung“ über Reiseversicherungspakete bis zur nachhaltigen Gewerbeversicherung für nachhaltige Hotels. Es ist einiges geplant.
Utopia hat einen Artikel
zu nachhaltigen Versicherungen verfasst und dabei festgestellt, dass es
keine wirklichen Siegel gibt, auf die man sich berufen kann. Wie
versucht ihr für die nötige Transparenz zu sorgen?
Ein Good24 Siegel für eine wirklich nachhaltige Versicherungswirkung, also Versicherungsgesellschaft-Tarif-Makler, ist fester Bestandteil unserer Planung. Doch dazu müssen wir uns erst erfolgreich etablieren, uns einen Namen machen und letztlich zeigen, dass es einen Bedarf an Nachhaltigkeit durch die Kund:innen gibt.
Bei der Versicherungsbranche haben viele Menschen Angst vor Greenwashing. Ein Beispiel für Greenwashing wäre z.B. der Atomstrom-Anbieter, der für Umweltprojekte spendet und das als (umsatzsteigernde) Image-Kampagne nutzt. Wie entkräftet ihr solche Befürchtungen?
Das ist unser oberstes Ziel, genau das nicht zu sein: Versicherungsmakler, die ein bisschen auf „öko“ machen, gibt es schon genug. Deshalb steht bei Good24 ganz klar das Sozialunternehmen an erster Stelle. Die Good24 Versicherungsmakler GmbH ist ein Business-Case mit dem Good24 Gewinne generiert, um diese nachhaltig wirken zu lassen. Damit dies sichergestellt ist, haben wir uns die oben bereits beschriebene Gesellschaftsstruktur gegeben. Und damit ganz deutlich wird, dass der Versicherungsmakler nicht im Vordergrund steht, verrate ich hier einfach mal, dass spätestens 2022 auch Strom, Handy-Tarife etc. sozial wirken sollen.
Ich würde mich ärgern, dass ich nicht schon 2018 den Mut hatte. Und ich würde sofort nach Jens suchen.
Ihr
seid frisch gegründet. Was waren bislang eure größten Lernerfahrungen?
Was würdet ihr euch 2019 mit auf den Weg geben - wenn ihr in der Zeit
zurückreisen könntet?
Das ist eine schöne Frage. Ich würde mich ärgern, dass ich nicht schon 2018 den Mut hatte. Und ich würde sofort nach Jens suchen. Heute weiß ich, dass ein Versicherungsmakler nicht in der Lage ist, Nachhaltigkeit oder Impact wirklich zielführend zu definieren und zu erzeugen. Die eine große Lernerfahrung gab es glaube ich gar nicht. Ich lerne wirklich jeden Tag dazu und das macht riesige Freude.
Wo habt ihr auf eurem Weg die größte Hilfe erfahren?
Natürlich nenne ich hier zuerst die Impact Factory in Duisburg. Aber das allein hätte nicht gereicht, um aus zwei erfahrenen „Alt-Unternehmern“ Social-Entrepreneure zu machen. Ganz große Unterstützung kam auch aus der stetig wachsenden Vernetzung. Etwas, was ich aus meinem Leben nicht mehr wegdenken möchte, ist die Selbstverständlichkeit, mit der jeden Tag neue tolle Menschen in mein Leben treten. Ich glaube, das ist der eigentliche Garant, warum soziales Unternehmertum und die gesamte Szene am Ende erfolgreich sein wird.
Wo soll die Reise hingehen? Was sind die Pläne für die nahe Zukunft und wo seht ihr euch in fünf Jahren?
Unsere Mission ist es, dass in fünf Jahren Versicherungen zunehmend nachhaltig werden und ein Teil der Provisionen auch von anderen Unternehmen sinnstiftend eingesetzt werden.
Hierfür möchten wir neue Wege aufzeigen und planen eine Art soziales Franchising zu etablieren. So können auch andere Makler die Möglichkeit nutzen, ebenfalls Teile ihrer Gewinne zu goodCents zu machen.
Was würdet ihr jemandem raten, der oder die ein eigenes Projekt in die Tat umsetzen möchte?
Ich würde auf jeden Fall raten, sich an ein Inkubatoren-Programm oder eine andere Plattform zu wenden, um entsprechende Unterstützung zu erhalten. Vernetzung, Vernetzung und Vernetzung z.B. über reflecta.network, das sollte auf jeden Fall ein erster Schritt sein. Und dann noch eine persönliche Sicht: lasst euch niemals einreden, dass das alles nicht geht. Schließt euch mit Menschen mit gleichen Visionen und Ideen zusammen. Das hat mich an der sozialen Unternehmerszene so wahnsinnig beeindruckt. Hier arbeitet man nicht gegeneinander, sondern miteinander.