Reflecta

Marlene Haas über die Förderung von nachhaltiger Entwicklung und die Unterstützung lokaler Kleinbetriebe

Mein Anliegen ist es, kleine Betriebe und Verbraucher*innen zusammenzuführen und beide darin zu unterstützen, ihre Arbeit nachhaltiger zu gestalten.

Marlene Haas gehört zu der neuen Generation von Gründer*innen. Bereits im Alter von 21 Jahren gründete sie ihr erstes Unternehmen KULTpour, arbeitete als Veranstaltungskauffrau für Kulturevents in Frankfurt und holte eine der größten Verbrauchermessen für nachhaltigen Konsum in Deutschland in die Stadt. Soziales liegt ihr sehr am Herzen und auch vor größeren Herausforderungen scheut sie nicht zurück. Aus dieser Motivation heraus gründete sie 2014 die Lust auf besser leben gGmbH, ein gemeinnütziges Unternehmen, das mit diversen Angeboten nachhaltige Entwicklung und nachhaltiges Handeln fördert. Die Verbindung zwischen Gemeinwohl und Wirtschaft ist einer ihrer wichtigsten Erfolgsfaktoren.

Interview: Anais Quiroga, Februar 2019


Marlene, Du bist geschäftsführende Gesellschafterin und Gründerin von der Lust auf besser leben gGmbH (LABL). Wie beschreibst Du Eure Arbeit?

LABL unterstützt als gemeinnütziges Unternehmen die nachhaltige Entwicklung in der Frankfurter Region. Einerseits sind wir Wirtschafts- bzw. Dienstleistungsbetrieb und führen u.a. Nachhaltigkeitsberatungen mit diversen Unternehmen durch, schreiben Nachhaltigkeitsberichte und organisieren unterschiedliche Veranstaltungen und Beratungsprojekte zum Thema nachhaltiges Handeln, Leben und Wirtschaften.

Zum anderen kofinanzieren wir durch den Wirtschaftsbetrieb verschiedene Projekte im gemeinnützigen Bereich, die das Ziel haben, Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten. Dazu gehören Projekte wie das Konzipieren eines Mehrwegbecher-Pfandsystems, der Aufbau eines Netzwerkes für Kleinstbetriebe, sowie auch die Unterstützung dieser Betriebe in ihren unterschiedlichen Themengebieten.

Hierbei orientieren wir uns immer an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Ähnlich wie unsere Arbeit, sind diese Ziele sehr hetero-gen und erlauben uns, unsere Projekte je nach Bedarf unterschiedlich zu gewichten und den Fokus auf verschiedene Themengebiete zu setzen.

Ich glaube an eine Nachhaltigkeitskultur, die sich Veränderungen offen gegenüber zeigt und sich sowohl auf die Umwelt als auch auf die Mitmenschen positiv auswirkt.

Wie kam es dazu, dass Du LABL gegründet hast?

Bevor es LABL gab, arbeitete ich als Veranstaltungs- und Marketingmanagerin bei KULTpour, ein Unternehmen, das ich selbst gegründet hatte. Schon damals hatte ich den Wunsch, meine Arbeit auf das Thema Nachhaltigkeit zu fokussieren. Über viel Recherche bin ich schließlich auf einige Veranstaltungsmessen gestoßen, die vieles in dem Bereich machen. Da ich Veranstaltungskauffrau bin, dachte ich, dass das Konzept ganz gut zu mir passen könnte.

Im Jahr 2013 unterstützte ich den allerersten Heldenmarkt in Frankfurt, der heute zu den größten Verbrauchermessen für nachhaltigen Konsum in Deutschland gehört. Hierüber lernte ich viele Unternehmen kennen und entschloss, selbst aktiv zu werden. Meine Vorstellung war, kleine Betriebe und Verbraucher*innen zusammenzuführen und beide Zielgruppen darin zu unterstützen, ihre Arbeit nachhaltiger zu gestalten. Es geht mir dabei nicht um die Beschaffung von Nachhaltigkeitssiegeln, sondern Menschen dazu zu bewegen, die Welt ein bisschen besser machen zu wollen.

Eine gesunde Neugier und die Bereitschaft zu lernen, sind für mich die wichtigsten Faktoren. Deshalb entschied ich mich LABL zu gründen.

Du bist zusammen mit Alexandra von Winning geschäftsführende Gesellschafterin. Wie habt Ihr zueinander gefunden und wie würdet Ihr Eure Zusammenarbeit beschreiben?

Ich habe Alexandra über eine gemeinsame Freundin kennengelernt. Sie hat sich damals in der Nachhaltigkeitsberatung und Strategieentwicklung selbstständig gemacht. Ich merkte sofort, dass sie genau die Kompetenzen besaß, die mir in LABL noch gefehlt haben. Vom Prinzip her übernimmt Alexandra den Teil der Unternehmensberatung, schreibt Nachhaltigkeitsberichte und bietet Strategieworkshops zum Thema „Responsible Leadership“ und Wirtschaftsethik an.

Ich wiederum beschäftige mich viel mit der Organisation von Veranstaltungen und partizipativen Projekten. Ich arbeite also auf kleiner, lokaler Ebene, während Alexandra in der Beratung von Unternehmen und Organisationen tätig ist. Im gemeinnützigen Bereich leitet sie viele Projekte zum Thema Inklusion am Arbeitsplatz und koordiniert zudem das Nachhaltigkeitsbotschafter-Netzwerk. Trotzdem ist es sehr wichtig, dass wir beide den gesamten Überblick über die Projekte haben, für den Fall, dass eine von uns ausfällt. Die Zusammenarbeit macht sehr viel Spaß und ich glaube, dass wir uns sehr gut ergänzen.

Zusammen unterstützt Ihr nachhaltige Entwicklung in unterschiedlichen Lebensbereichen. Wie kann man sich die Dienstleistung von LABL vorstellen?

Unsere Dienstleistung ist sehr heterogen und kann je nach Einsatzgebiet stark variieren. Viele Unternehmen kommen manchmal mit einer bestimmten Vorstellung zu uns oder sind bereits im Bereich nachhaltiger Entwicklung aktiv. Unsere Aufgabe ist es, sie im Ausbau dieser Pläne zu unterstützen. Hierfür bieten wir von Strategieplanungen über Beratungsworkshops bis hin zur Organisation und Planung von Projekten und Kampagnen die verschiedensten Dienstleistungen an. Unsere Dienstleistung ist sehr individuell und auf alle Unternehmen unterschiedlich zugeschnitten.

Wie finanziert Ihr Euch?

Wir arbeiten sowohl als gemeinnütziges-, als auch als Wirtschaftsunternehmen. Deshalb sprechen wir an dieser Stelle immer von einer Misch-Finanzierung. In einer normalen GmbH werden im Idealfall Gewinne erwirtschaftet, die sich Gesellschafter am Ende auszahlen können. Bei LABL ist es jedoch so, dass wir diese Überschüsse dafür einsetzen, den gemeinnützigen Betrieb zu finanzieren. Zudem sind wir aber auch auf Fördergelder angewiesen.

Was waren bisher Eure wichtigsten Projekte?

Im gemeinnützigen Bereich ist Cup2gether momentan eines meiner wichtigsten Projekte. Um den Plastikmüll in Bornheim und Nordend zu reduzieren entwickelten wir anfänglich ein Mehrwegbecher-Pfandsystem und zogen dafür viele Cafés und Kleinhändler aus der Umgebung heran um dies-zu testen. Da wir durch unsere mehrjährige Erfahrung und der Zusammenarbeit mit Gewerbevereinen und Stadteilen lokal stark verwurzelt sind, funktioniert das System mittlerweile sehr gut und wird bald in ganz Frankfurt eingesetzt.

Ein weiteres und wichtiges Projekt ist das Personalforum Inklusion, das wir zusammen mit der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, der Stadt Frankfurt und dem Netzwerk Inklusion e.V. aufgebaut haben. Das Ziel ist es, Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Behinderungen zusammenzuführen, um herauszufinden, wie am besten zusammengearbeitet werden kann. Wir wollen das Thema Inklusion am Arbeitsmarkt praxisnah stärken und ich finde es sehr beeindruckend, dass so viel Interesse besteht. Beim letzten Personalforum im November 2018 haben mehr als 600 Leute teilgenommen.

Als junge Chefin, mit Mitarbeiter*innen, die teilweise viel älter waren als ich, merkte ich, dass es enorm wichtig ist eine wertschätzende Kultur zu entwickeln und auf Augenhöhe zu interagieren.

Ihr geht in Eurer Arbeit nach bestimmten Werten vor…

Ja, diese Werte sind bereits bei der Gründung entstanden. Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht, auf welcher Basis ich mein Unternehmen aufbauen kann. Als junge Chefin, mit Mitarbeiter*innen, die teilweise viel älter waren als ich, merkte ich, dass es enorm wichtig ist eine wertschätzende Kultur zu entwickeln und auf Augenhöhe zu interagieren. Zum einen versuchen wir, eine gesunde Fehlerkultur zu leben. Das hat für mich Priorität, weil dadurch der Druck aus dem täglichen Arbeitsleben herausgenommen und verhindert wird, dass Probleme kaschiert und dadurch schlimmer werden.

Zum anderen ist der gegenseitige Respekt untereinander sehr wichtig, in dem Sinne haben unterschiedliche Meinungen und Perspektiven ihre Daseinsberechtigung und müssen unbedingt in den Prozess einbezogen werden. Beim Thema Nachhaltigkeit ist dieser Aspekt immer sehr spannend, da ich häufig das Gefühl habe, dass viele Menschen der Überzeugung sind, es gäbe nur die eine richtige Lösung für das Problem. Mit so einer Einstellung begibt man sich meiner Meinung nach auf eine Ebene, die sich nicht mehr auf Augenhöhe abspielt. Das versuchen wir zu vermeiden.

Was war im Gründungsprozess die größte Herausforderung und der größte Lerneffekt für Dich?

Ich habe zum einen lernen müssen, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen, zum anderen aber auch, nicht immer alle Ratschläge anzunehmen. Es war ein langer Prozess, der sich für mich jedoch aus-gezahlt hat. Auch mein Selbstvertrauen musste sich mit der Zeit entwickeln. Die Furcht vor Fehlern war immer sehr präsent, doch je mehr Erfahrungen ich sammelte, desto geringer wurde sie.

Am Anfang war ich sehr von der Verwaltung erschlagen, die mit der Gründung einhergeht. Ich kannte davor nur das Einzelunternehmen und war an andere Abläufe gewöhnt. Ich habe mich hier sehr viel unter Druck setzen lassen, da ich immer alles richtig machen wollte. Mittlerweile weiß ich, dass dies beinahe unmöglich ist. Ich weiß aber auch, dass manche Sachen einfach ihre Zeit brauchen und Fehler wieder korrigiert werden können.

Die Furcht vor Fehlern war immer sehr präsent, doch je mehr Erfahrungen ich sammelte, desto geringer wurde sie.

Du bist noch sehr jung. Glaubst Du, dass Dein Alter eher ein Vorteil oder ein Nachteil in dem ganzen Prozess war?

Mein Alter war für mich immer eher ein Vorteil. Das liegt wohl vor allem daran, dass ich mit Anfang zwanzig keine Verantwortung für andere hatte. Ich habe beispielsweise keine Kinder. So konnte ich neue Sachen ausprobieren, ohne ein Risiko im persönlichen Leben einzugehen. Zudem war es leichter, mich an die mir gegebenen Umstände anzupassen. Ich habe vorher von einem Azubi-Gehalt und dann als Gründerin von relativ wenig Gehalt gelebt. Für mich war das nicht so ein großer Umbruch, wie bei Menschen, die immer gut verdient haben und sich dann entscheiden, ein gemeinnütziges Unternehmen zu gründen.

Letztendlich glaube ich auch, dass das Vertrauen auf das eigene Bauchgefühl, sowie die Entscheidung meinen Weg zu gehen wegen meines noch jungen Alters leichter war. Ein Nachteil war, dass ich gerade zu Beginn öfter das Gefühl hatte, nicht ernst-genommen zu werden.

Was verstehst Du unter dem Begriff Nachhaltigkeit und was für eine Bedeutung hat Nachhaltigkeit für Dich persönlich?

Für mich ist Nachhaltigkeit kein Zustand, sondern ein Prozess, der sich immer wieder verändert und anpasst. Ich glaube an eine Nachhaltigkeitskultur, die sich Veränderungen offen gegenüber zeigt und sich sowohl auf die Umwelt als auch auf die Mitmenschen positiv auswirkt. Ich finde auch, dass innerhalb dieser Diskussion fast ausschließlich zukunftsorientiert gedacht wird, wobei es aber genau-so wichtig ist, die Gegenwart, bzw. die gegenwärtigen Probleme zu betrachten. Für mich entsteht eine Nachhaltigkeitskultur oder eine nachhaltige Entwicklung erst dann, wenn viel mehr Menschen in kleinen Schritten anfangen, einen bewussteren Lebensstil zu führen.

Wo liegt bei Dir der Unterschied zwischen nachhaltiger Entwicklung und nachhaltigem Handeln?

Ich finde beide Begriffe gehen Hand in Hand, denn um nachhaltig zu handeln muss ein Entwicklungsprozess stattgefunden haben. Es ist ein Kreislauf, der über das Handeln zu einer Weiterentwicklung führt, wo das Handeln aber wiederum selbst auf eine Entwicklung beruht. Den definitiven Nachhaltigkeitsbegriff finde ich sehr schwierig, weil er für mich ein Siegel darstellt, der einem vor-gaukelt was Nachhaltigkeit ist, aber andere Lebensaspekte komplett ausschließt. In diesem Zusammenhang finde ich den Entwicklungsbegriff differenzierter.

LABL hat das Ziel, die globalen Nachhaltigkeitsziele bis 2030 alltagstauglich zu machen. Welche Ziele rückt Ihr in den Fokus Eurer Arbeit?

Diese Ziele sind alle sehr unterschiedlich. Von Klimaschutz, über Gleichberechtigung, bis hin zu nachhaltigem Konsum werden viele Problemzonen abgedeckt. Ich würde niemals behaupten, dass LABL wirklich auf alle Ziele in gleichen Maßen einwirken kann, obwohl sie in gewisser Weise alle ineinandergreifen. Momentan konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Förderung von Chancengleichheit, Inklusionsprojekten, sowie auch Ressourcenvermeidung. Zudem unterstützen wir Kleinstbetriebe und Unternehmen im Bereich nachhaltiges Wirtschaften, nachhaltiger Produktion und nachhaltigem Konsum. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass wir uns in der Zukunft auch in andere Richtungen orientieren werden.

Momentan befinden uns beispielsweise in der Ausarbeitung eines Konzepts, in der es um die Wiederbelebung eines Dorfes in der Region geht. Wir haben zwar immer viel Spaß, uns in andere Themengebiete einzuarbeiten, können aber natürlich nicht behaupten, dass wir die Kompetenzen für alle Bereiche besitzen. Deshalb ist es in unserem Interesse, auch öfter mit anderen Personen oder Institutionen zu kooperieren.

Ihr sprecht von LABL als hybrider Organisationsform. Kannst Du uns das ein bisschen näher erläutern?

Für mich war es am Anfang lange eine Herausforderung herauszufinden, was für eine Art Organisation ich gründen möchte. In einem Wirtschaftskontext war es immer komisch von einer gemeinnützigen Organisation zu sprechen und eine NGO wäre auch nicht der richtige Weg gewesen. Ich flog im Rahmen einer Sozialunternehmerreise in die Vereinigten Staaten, wo ich zum ersten Mal sogenannte „hybrid-organizations“ kennenlernte. Diese Bezeichnung ergab für mich Sinn, denn auch LABL ist hybrid. Wir haben zum einen diesen Wirtschaftsaspekt, in dessen Kontext wir, wie in einer normalen GmbH, Gewerbe- und Körperschaftssteuern zahlen.

Zum anderen haben wir auch einen gemeinnützigen Aspekt, innerhalb dessen wir von diesen Steuern befreit sind. Wir müssen an dieser Stelle aber darauf Acht geben, dass sich unser Wirtschaftsbetrieb rentiert, da wir sonst mit unserer Gemeinnützigkeit den Wirtschaftsbereich subventionieren würden. Das darf auf keinen Fall passieren. Zusätzlich müssen wir aufpassen, dass es durch die Gemeinnützigkeit zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt.

Wenn wir also einem Unternehmen unsere Dienstleistung anbieten, muss es in den gleichen Rahmenbedingungen passieren, wie in jeder anderen Agentur auch, da wir uns sonst im Rahmen der Gemeinnützigkeit steuerliche Vorteile verschaffen könnten. Der Wirtschaftsbetrieb ist dazu da, gemeinnützige Zwecke zu stützen und nicht nach Gewinnmaximierung zu streben. Diese Balance zu halten ist deshalb für uns als hybride Organisation von enormer Bedeutung.

Der Wirtschaftsbetrieb ist dazu da, gemeinnützige Zwecke zu stützen und nicht nach Gewinnmaximierung zu streben. Diese Balance zu halten ist deshalb für uns als hybride Organisation von enormer Bedeutung.

Viele Eurer Kunden sind Kleinst- und Kleinbetriebe. Nach welchen Kriterien sucht Ihr sie aus?

Wir haben im Laufe der Zeit ein sehr großes Netzwerk mit Kleinstbetrieben aufgebaut. Wir nennen es das Nachhaltigkeitsbotschafter-Netzwerk. Diese Betriebe sind uns sehr wichtig, da diese im Vergleich zu großen Unternehmen in der Regel sehr nah an den Menschen sind. Die Betriebe, die mit uns zusammenarbeiten wollen, kommen mit einer gewissen Neugier zu uns und verstehen, dass das Thema nachhaltige Entwicklung von Relevanz ist. Wir geben keine vorgefertigten Standards vor, die sie im Voraus erfüllen müssen, um unsere Unterstützung zu bekommen.

Viel wichtiger finden wir, dass sich die Personen mit dem Thema auseinandersetzen wollen. Zusätzlich haben wir eine Charta der Nachhaltigkeit entwickelt, in der es darum geht, sich für eine nachhaltige Entwicklung im Betrieb zu bekennen. Wir wollen hiermit erreichen, dass die Idee und unsere Ziele auch weitergetragen und gerade die Leute, die noch keinerlei Berührungspunkte mit dem Thema hatten, aufgeklärt werden. Wir können nicht immer gewährleisten, dass unsere Nachhaltigkeitsstrategien auch tatsächlich umgesetzt werden, das ist die Verantwortung eines jeden selbst. Dadurch aber, dass wir im regelmäßigen Austausch mit unseren Kunden sind, und diese auch untereinander interagieren, findet ein ständiger Prozess und Beziehungsaustausch statt, der wiederum Anreize schafft.

Ihr betreut den Webguide für nachhaltiges Leben und Einkaufen. Was genau ist das?

Im Rahmen unserer Arbeit versuchen wir, uns intensiver auf die Region zu beziehen. Der Webguide entstand am Anfang als ein Verzeichnis, wo mehr als 500 Kleinstbetriebe aufgelistet waren. Diese Betriebe mussten damals mindestens einen Nachhaltigkeitsaspekt erfüllen, um auf diese Liste gesetzt zu werden. Entweder verkauften sie regionale Bioprodukte, Kleidung ohne Schadstoffe oder betrieben einen plastikfreien Laden. Mittlerweile ist der Webguide zu einer großen Community herangewachsen. Der Kernpunkt ist der Veranstaltungskalender, der regionale Events im Bereich Gesundheit, Engagement, Inklusion, Familie, Mode, Politik & Wissenschaft u.a. bündelt und weiterempfiehlt, sowie auch Botschafter vorstellt und Veränderungen in der Region mitverfolgt. Momentan hat der Webguide ungefähr 2000 Aufrufe im Monat. Wir merken also, dass Bedarf und das Interesse bestehen und es wichtig ist, eine solche Plattform dem Publikum anzubieten.

Zusätzlich habt Ihr mit Good Growth eine Beratungs- und Bildungsmarke gegründet. Kannst du uns das Konzept erklären?

Good Growth ist aus Alexandras alter Firma entstanden und in den Wirtschaftsbetrieb von LABL übergegangen. Hiermit versuchen wir, das Thema Nachhaltigkeit, nachhaltiges Bewusstsein und Verantwortung, in den Arbeitsprozess von Unternehmen und Organisationen zu verankern, indem wir Beratungsgespräche, Workshops, Coachings, Konzeptentwicklungen und Veranstaltungen anbieten. Viele Unternehmen kommen auch mit ihren Sorgen, Gedanken und Wünschen zu uns und hoffen, dass ihnen weitergeholfen wird. Hier ist es uns wichtig, individuell auf sie einzugehen und zu schauen, ob ihre Arbeit dem Nachhaltigkeitskodex entspricht. Das Verständnis von nachhaltiger Entwicklung ist je nach Unternehmen sehr unterschiedlich, weshalb es umso wichtiger ist, deren innere Struktur kennenzulernen.

Auf Eurer Homepage sagt ihr, dass ihr im engen Dialog mit Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft steht. Wie kann man sich das genau vorstellen?

Meiner Erfahrung nach kommt es oft vor, dass manche Sachen nicht funktionieren, weil auf politischer, zivilgesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene unterschiedliche Ansichten von Nachhaltigkeit dominieren. Deshalb wollen wir den Dialog zwischen diesen Bereichen fördern. Im Bezug auf unser Mehrwegbecher-Pfandsystem haben wir auf Landesebene intensiv mit dem Ernährungsrat Frankfurt zusammengearbeitet, um zu besprechen, was hier die Herausforderungen sein könnten. Wir achten also darauf, was alles in einem politischen Rahmen möglich ist, oder ob etwas verändert werden kann. Zusammen mit anderen Akteuren gründeten wir zusätzlich einen runden Tisch, der den Dialog zwischen Multi-Stakeholdern fördern und Probleme anders an die Politik herantragen soll.

Mich nervt es extrem, wenn auf komplexe Probleme, einfache Antworten gegeben werden.

Was ist Deiner Meinung nach, eine Grundeinstellung, die sich unbedingt ändern sollte?

Mich nervt es extrem, wenn auf komplexe Probleme, einfache Antworten gegeben werden. Wichtige und relevante Fragestellungen können nicht nur schwarz-weiß gesehen werden, sondern benötigen unsere volle Aufmerksamkeit. Ich wünsche mir auch von Seiten der Politik mehr Mut, Nachhaltigkeitsthemen ernst zu nehmen und in den Vordergrund zu rücken. Wir müssen akzeptieren, dass wir in einer ziemlich komplexen Welt leben und deshalb niemals allwissend sein können.

Trotzdem müssen wir uns trauen, uns in diesen Veränderungsprozess zu begeben, damit wir den richtigen Weg finden können. Zudem denke ich, dass gerade die Medien vermeiden sollten, Nachhaltigkeitsthemen gegeneinander aufzuspielen und ihnen ihre Glaubwürdigkeit zu nehmen. Zum Beispiel finde ich nicht, dass Wirtschaftswachstum per se einen Widerspruch zum Klimaschutz darstellt. Diese Kausalketten sind für mich sehr plakativ, vereinfacht dargestellt und undurchdacht.

Was glaubst du, unterscheidet LABL von anderen gemeinnützigen Organisationen?

Ich will mich nicht gegenüber anderen Organisationen hervorheben, da ich der Meinung bin, dass wir alle unsere Daseinsberechtigung haben. Diese Verbindung aus der Arbeit mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik gleichermaßen ist jedoch ein Aspekt, der uns von vielen unterscheidet. Meiner Erfahrung nach haben viele, gerade in Bezug auf Wirtschaft, gewisse Berührungsängste. Ich glaube, dass LABL dazu beitragen kann, diese Nähe wiederherzustellen.

Um Dein Geschäftsmodell zu verwirklichen hast Du an einem Programm des Social Impact Labs in Frankfurt teilgenommen. Inwieweit hast Du das Gefühl, dass Dich das bei Deiner Gründung unterstützt hat?

Das Social Impact Lab war eine sehr große Unterstützung. Ich bin mit meiner Idee einem achtmonatigen Programm beigetreten, welches durch sie gefördert wurde. Dabei lernte ich auf eine bestimmte Art und Weise zu denken, die ich vorher nicht kannte. Ich lernte ein Unternehmen zu verstehen und einen Strategieplan zu entwickeln. Zudem wurde man dort in seiner Idee sehr bestärkt und nicht alleingelassen. Ich weiß, dass das in anderen Coworking-Spaces auch anders aussehen kann. Das Netzwerk und die Weiterbildung durch regelmäßige Treffen und Workshops haben mir in dem Prozess auch sehr weitergeholfen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich bereits einen Vorsprung hatte, da ich vorher bereits ein Unternehmen gegründet hatte und mir vieles deshalb leichter fiel.

Wie schätzt Du allgemein die Möglichkeiten ein, ein Unternehmen in Deutschland zu gründen?

Ich glaube, dass es viele Länder gibt, die, gerade was das coworking angeht, bessere Angebote anbieten. Ich schiebe das ein bisschen auf die kulturelle Einstellung. Wir Deutschen neigen oft dazu, so sicherheitsorientiert wie möglich zu handeln und auf gar keinen Fall scheitern zu dürfen. Das Risiko, das bei jeder Gründung entsteht, ist der größte Grund, weshalb viele keine Lust haben, sich auf so etwas einzulassen. Letztendlich hadern sie aber trotzdem mit der fehlenden Freiheit in ihren Angestelltenjobs. Bei vielen ist der Mut zum Gründen einfach nicht vorhanden und das ist okay, denn wir brauchen ebenso vorsichtige Menschen.

Was würdest Du Leuten für einen Ratschlag geben, die selbst gründen wollen?

Die allererste Frage, die man sich stellen muss ist, ob man wirklich die Idee aus Überzeugung verwirklichen möchte, oder ob die aktuelle Arbeitssituation entscheidend ist. Beide Fragen sind zwei Paar Schuhe, die gerne auch vertauscht werden. Du sollst der Gründung nur dann nachgehen, wenn du sehr stark an deine Idee glaubst. Zudem finde ich, dass Startup-Treffen auch enorm weiterhelfen, da du dich auf gleicher Ebene und mit Gleichgesinnten austauschen und viel lernen kannst.

Ich möchte gerne dazu beitragen, zumindest im kleinen Wirkungskreis, eine gesunde Nachhaltigkeitskultur aufzubauen, diese Schritt für Schritt zu stärken und sie in den Alltag einzubetten.

Inwieweit möchtest du mit LABL die Welt verändern?

Ich möchte gerne dazu beitragen, zumindest im kleinen Wirkungskreis, eine gesunde Nachhaltigkeitskultur aufzubauen, diese Schritt für Schritt zu stärken und sie in den Alltag einzubetten. Ich wünsche mir, so vielen Leuten wie möglich Denkanstöße geben zu können, um langfristig die Welt zum Besseren zu verändern.

Welche Projekte oder Organisationen leisten Deiner Meinung nach besonders gute Arbeit in der Region?

Das Entwicklungspolitische Netzwerk Hessen e.V. macht meiner Meinung nach großartige Arbeit. Sie kümmern sich um Bildung für eine globalgerechte Welt. Das Ernährungsrat in Frankfurt e.V. versucht das Thema Ernährung und Ernährungssystem in den politischen Vordergrund zu rücken. Die Bürger AG Frankfurt finanzieren Projekte für kleinbäuerliche Biolandwirtschaften. Spannend finde ich aber auch, was in einigen Kinder- und Familienzentren passiert. Das MUKIVA hat zum Beispiel vor kurzem ein Klimaschutzprojekt in der Nachbarschaft gestartet und das Kinderzentrum im Gallus engagiert sich für Integration, Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit. Auch das Transition Town Netzwerk wächst mit ihren Projekten immer weiter.

Marlene Haas auf reflecta.network

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