Reflecta

Monica Klein über das Bildungsformat der Weekendschool und die Kraft von Vorbildern.

Die Weekendschool-Kids tauchen an jedem Samstag in einen Beruf ein, probieren sich aus und erleben eine neue Welt.

Monica Klein hat das Bildungsprojekt Weekendschool und den gleichnamigen Verein in Hamburg aufgebaut. Die Weekendschool unterstützt Jugendliche aus Stadtteilen mit niedrigem Sozialindex bei der Entdeckung der eigenen Talente und Interessen, der Persönlichkeitsentwicklung und der Berufsfindung. Dazu organisieren sie in einem langfristig ausgerichteten präventiven Programm unter anderem interaktive Beruf-Workshops mit Expert:innen, Exkursionen zu spannenden Arbeitsplätzen und Kompetenztage. Über die Hintergründe berichtet die Gründerin im Interview.

Interview: Daniela Mahr, November 2020
Foto: Monica Klein

Liebe Monica, danke, dass du dir die Zeit nimmst und dieses besondere Bildungsprojekt vorstellst!
Seit wann gibt es die Weekendschool und wer steht dahinter?

Der Ursprung der Weekendschool kommt aus den Niederlanden. Dort gibt es dieses fantastische Bildungsprojekt bereits seit 20 Jahren, inzwischen in über 30 Städten. Ich habe im Juni 2017 in Hamburg den Verein Weekendschool Deutschland eV. gegründet. Aktuell sind wir im inneren Kreis ein Team von rund 10 Personen. Unser Pool an Experten liegt bei ca. 50 Personen und 60 freiwilligen Helfern, unsere Weekendschool-FRIENDS unterstützen uns bei den Workshops, Exkursionen und Kompetenztagen. Gefördert werden wir inzwischen von Stiftungen, Unternehmen, Privatpersonen und auch von der öffentlichen Hand.


Wie kann man sich den Aufbau und Ablauf der Weekendschool genau vorstellen?

In die Weekendschool kommen angehende Jugendliche aus Stadtteilen mit niedrigem Sozialindex, die mehr wissen wollen und etwas in ihrem Leben erreichen möchten. Sie suchen nach Inspiration für die Zeit nach der Schule, Wissen um die vielen Möglichkeiten, Kontakt zu Menschen, die einen Beruf gefunden haben, der zu ihnen passt und sie erfüllt, persönlichen Austausch mit so genannten Rolemodels und authentische Einblicke in viele verschiedene Zukunfts-Berufe.
Darüber hinaus wünschen sie sich einen wertungsfreien Raum, in dem sie sich ausprobieren und wachsen können. Sie möchten erstgenommen werden und ehrliche Antworten auf ihre vielen Fragen erhalten.
Wir zeigen Schülerinnen und Schülern (SuS) der fünften Klassen, dass sie dies alles in der Weekendschool erleben können. Wir stellen das Programm im Unterricht der weiterführenden Schule vor und die SuS entscheiden dann selbst, ob sie am Programm teilnehmen möchten. Mit der Anmeldung verpflichten sie sich im ersten Schritt zweieinhalb Jahre lang, an rund 30 Terminen im Jahr zu kommen, was sie auch mit großer Freude tun.

In zweieinhalb Jahren erleben die Kids rund 70 Expert:innen, die ihren Beruf lieben und dies begeisternd vermitteln.


In den zweieinhalb Jahren erleben sie rund 70 Expert:innen, die ihren Beruf lieben und dies begeisternd vermitteln. Das Herzstück sind die interaktiven praktischen Arbeiten in jedem Workshop. Die Weekendschool-Kids tauchen an jedem Samstag in einen Beruf ein, probieren sich aus und erleben eine neue Welt. Alle vier Wochen gehen sie auf eine Exkursion und schauen so hinter die Kulissen der Unternehmen.

Auch auf den Exkursionen erleben die Weekendschool-Kids die möglichen Berufe im Unternehmen durch praktische Arbeiten. In regelmäßigen Abständen stärken die Kids ihre Fähigkeiten an den Kompetenztagen und lernen an sich selbst zu glauben, sich Ziele zu stecken und diese zu verfolgen.
In folgende Bereiche tauchen die Weekendschool-Kids ein: Mint, Digital, Sozial, Kreativ, Umwelt und Gesellschaft.

Wie kamst du auf die Idee? Was war dein Weg dorthin und was hast du davor gemacht?


Ich habe in der ZEIT einen Artikel über die IMCWeekendschool in den Niederlanden gelesen und mich sofort in diese Art der Unterstützung für motivierte Kids verliebt. Ich glaube an die Motivation durch Vorbilder, durch Aufzeigen von Möglichkeiten und an einen wertungsfreien Raum.
Durch den viel zu frühen Tod meines Mannes musste ich meinen deutschlandweiten Job im Außendienst aufgeben und mich beruflich neu orientieren, denn unser Sohn war erst acht Jahre alt. Da ich aber nicht nur gerne träume, sondern Träume auch umsetze, habe ich kurzerhand in Amsterdam angerufen und gefragt: „Was muss ich tun, damit ich das Projekt nach Deutschland holen kann?“. Nach persönlichen Gesprächen mit der Gründerin und verschiedenen Hospitationen und Schulungen gab es kein Zurück mehr. Wer einmal die Weekendschool-Kids erlebt hat, kann es nachvollziehen: strahlende Augen, motiviertes Arbeiten, Lust auf Neues, Dankbarkeit, das Gefühl, endlich einmal ernst genommen zu werden.


Ich glaube an die Motivation durch Vorbilder, durch Aufzeigen von Möglichkeiten und an einen wertungsfreien Raum.


Wo hast du auf dem Weg zur Gründung und bis heute Informationen und Unterstützung erhalten? Und auch: Wo lagen und liegen die größten Hürden?


Die Liste ist lang: aus dem Internet auf unzähligen Seiten, bei anderen Initiativen, bei Fachleuten (z.B. für Steuerrecht), bei Coaches (z.B. start social), bei der Handelskammer, aus Newslettern, Gespräche auf Netzwerkveranstaltungen – kurz zusammengefasst: ich habe ständig beide Augen und Ohren auf Empfang gehabt und alles aufgesogen, wie ein Schwamm. Ich habe mit fast jedem über meine Idee gesprochen und gefragt, ob er mir sein Wissen und seine Erfahrung zur Verfügung stellen kann.

Die größten Hürden? Auch diese Liste ist umfangreich!
In Deutschland gibt es derzeit ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Qualität und dem Festhalten am Ehrenamt. Unser Konzept z.B. basiert auf eine lange und regelmäßige Betreuung der Weekendschool-Kids. Für die Bindung an die Weekendschool ist es wichtig, dass die Klassenbegleiter auch lange an der Seite der Weekendschool-Kids bleiben und ein solides pädagogisches Vorwissen haben für den Umgang mit den Kids und der Leitung der Samstage. Somit arbeiten wir mit festangestellten Klassenbegleitern. Viele Unterstützer möchten jedoch ungern Geld spenden für festangestellte Mitarbeiter. Auch werden bevorzugt neue Projekte gefördert als bestehende, bewährte Projekte.
Viele Unternehmen sind begeistert von unserem Konzept, geben jedoch nicht gerne Geld für Fünft- bis Siebtklässler. Oft legen sie ihren Schwerpunkt eher auf Schulabgänger. Die Unternehmen von der Wichtigkeit der Prävention zu überzeugen ist herausfordernd.
Ehrenamtliche für die Unterstützung am Samstag – sozusagen für die Arbeit am Kind – zu finden, ist dagegen leicht. Für die Organisation im Hintergrund jedoch ungemein schwerer. Wir suchen gerade nach einem neuen 2. Vorsitzenden. Wer dieses Amt mit Engagement ausfüllen möchte, darf sich gerne bei uns melden!

Viele Unternehmen sind begeistert von unserem Konzept, geben jedoch nicht gerne Geld für Fünft- bis Siebtklässler.


Was waren bislang deine größten Lerneffekte? Würdest du rückblickend etwas anders machen?


Es ist und bleibt sehr motivierend, wenn deine Zielgruppe das Projekt nicht nur annimmt, sondern strahlend vor dir steht und fragt, wann es weiter geht. Ich hätte nie gedacht, wie sehr mich/uns das pushed und so jede neue Herausforderung fast freudig angenommen wird.
Einen Punkt gibt es allerdings, den ich wirklich anders machen würde: ich würde mir mehr Zeit geben um von Anfang an ein größeres ehrenamtliches Team aufzubauen. Der Glaube, dass Menschen schon mit der Zeit kommen ist zwar Realität geworden, doch das war schon sehr mühsam.


Wie ist deine Vision für die Zukunft?


Meine Vision: Jede:r angehende Jugendliche – unabhängig von der sozialen Herkunft und Schulausbildung – kann das Leben selbstbestimmt gestalten und einen Beruf finden, der den eigenen Interessen, Talenten und Persönlichkeit entspricht.
Bereits nach dem Durchlauf der ersten Gruppe erhalten wir von den Weekendschool-Kids das Feedback, dass sie die Inspiration erhalten, die sie für ihr Leben nach der Schule brauchen. Somit wünschen wir uns viele, viele weitere Perspektivgeber:innen, damit viele, viele Weekendschool-Kids freudig sagen können: „Ich weiß, was ich werden will. Und ich weiß, dass ich es erreichen kann!“.



Wo soll die Reise für die Weekendschool in den nächsten Jahren hingehen? Und wie kann man euch auf diesem Weg unterstützen?


Wir möchten in Hamburg drei Standorte aufbauen und dann in die nächste Stadt gehen. Wenn wir in 20 Jahren in 20 Städten vertreten sind, haben wir einen guten Job gemacht.

Bereits nach dem Durchlauf der ersten Gruppe erhalten wir von den Weekendschool-Kids das Feedback, dass sie die Inspiration erhalten, die sie für ihr Leben nach der Schule brauchen.


Aktuell suchen wir nach Unterstützung für unsere PR und für den weiteren Markenaufbau (z.B. ein CI entwickeln). Zudem möchten wir das Folgeprogramm erarbeiten, denn wir möchten im zweiten Step die Weekendschool-Kids von der achten Klasse bis zum Start in die Ausbildung weiter begleiten und unterstützen.
Auch beim Aufbau des zweiten Standorts im Hamburger Osten kann man uns gerne helfen. Und Spenden sind selbstverständlich immer willkommen!!

Was würdest du jemandem empfehlen, der/die selbst eine Idee hat und ein eigenes Projekt starten möchte?

Dran glauben, dran glauben, dran glauben! Aber sich und das Projekt immer wieder in Frage stellen und reflektieren. Bereit sein, es anzupassen. Und vor allem: MACHEN!

Monica Klein auf reflecta.network

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