Reflecta

Torsten Schreiber von Africa GreenTec

Pionierarbeit in Subsahara-Afrika und der Weg zur nachhaltigen Elektrifizierung

06.09.2023 - Interview mit Torsten Schreiber (Africa GreenTec)

Die Elektrifizierung von Subsahara-Afrika ist eine Herkulesaufgabe und gleichzeitig eine Notwendigkeit. Torsten Schreiber, Gründer von Africa GreenTec, hat sich dieser Aufgabe verschrieben. Im Interview gibt er Einblicke in seine Inspirationen, die Hürden und Chancen in der Region und wie er mit seinem Team versucht, die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und dabei einen signifikanten positiven Einfluss auf das Leben von Millionen zu hinterlassen.


In Afrika konnte ich einen viel größeren Einfluss auf den Treibhauseffekt sehen.

Was hat dich dazu inspiriert, Africa GreenTec zu gründen und welchen Einfluss hatte deine frühere Tätigkeit bei bettervest auf diese Entscheidung?

Inspiriert hat mich ein 20-Megawatt-Dieselgenerator von 1959. Zu dem Zeitpunkt baute ich mit Patrick Mijnals gerade an der Crowdinvesting Plattform bettervest für Energieeffizienzprojekte in Deutschland. Das hat mich insofern beeinflusst, weil mir dadurch bewusst wurde, dass ich in Afrika einen viel größeren persönlichen Hebel und Einfluss auf den Treibhauseffekt haben könnte.

Warum hast du dich entschieden, dich auf die Region Sub-Sahara-Afrika zu konzentrieren?

In der Region haben über 600 Millionen Menschen keinerlei Zugang zu Strom. Der Rest erzeugt ihn fossil und mit großen Stromausfällen. Ideal für einen Leapfrog (Technologie-Übersprung), denn Sonne und somit Energie gibt es in der Region genug. Außerdem ist die Wirkung im Offgrid-Bereich am größten, man kann also am Meisten für den Klimaschutz tun und gleichzeitig sehr viel Positives bei den Menschen erreichen. Wir können 11 der 17 Nachhaltigkeitsziele positiv beeinflussen und so unter anderem aktiv die Fluchtursachen bekämpfen, die auch zu den politischen Verwerfungen in Europa führen.

Der Solartainer war der Anfang – heute haben wir viele Innovationen für den globalen Süden.

Der Solartainer® ist ein zentrales Produkt von Africa GreenTec. Kannst du uns mehr über dessen Entstehung und Vorteile erzählen? Wie hat sich Africa GreenTec seit der Entwicklung des Solartainers® weiterentwickelt?

Entstanden ist der Solartainer als „Mobiles Solarkraftwerk“. Der Grund war die Herausforderung, keine Finanzierung für eine Bürgerkriegs-Region zu bekommen. Deswegen haben wir ein mobiles Asset, also ein verpfändbares Wirtschaftsgut/ Kraftwerk entwickelt, mit dem Versprechen an die Geldgeber, dieses wieder abzuholen, wenn z.B. die Leute den Strom nicht bezahlen.

Mittlerweile haben wir viele weitere spannende Innovationen für den globalen Süden entwickelt und auch unser Angebot in den Dörfern erweitert. Wir nennen das ganzheitliche Konzept jetzt ImpactSite.


Was waren eure größten Herausforderungen auf dem Weg und wie seid ihr damit umgegangen?

In Deutschland rechnet man in Projekten 2-5% für Unvorhergesehenes ein, in der Region, in der wir arbeiten lassen sich 2-5% planen, der Rest ist „auf Sicht“. Die größten Herausforderungen sind zu 2/3 Finanzierung für unsere gewagten Projekte zu finden. Der Rest verteilt sich auf Krankheiten, Hitze und Sicherheitsthemen.


Ein echter Impact Investor sucht messbare, positive Veränderungen.

Wie funktioniert die Finanzierung durch Impact Investing bei Africa GreenTec?
Welchen Mehrwert bietet Crowdinvesting für euer Unternehmen und für die Investor:innen – auch im Vergleich zu anderen Finanzierungsformen?

Der Begriff des Impact Investing ist mittlerweile sehr verbraucht und ich nutze ihn immer weniger, weil wir gerade eine große White- und Greenwashing-Phase erleben, bei der jeder sich mit irgendwelchen vermeintlich nachhaltigen Begriffen schmückt, ohne wirklich einen Wandel voranzutreiben.

Für mich ist Impact Investing ein langlaufender Kredit statt einer Spende mit einem gegen 0 tendierenden Zins. Statt Zins erhält ein echter Impact Investor belegbaren Impact, also eine positive, messbare Veränderung in dem für ihn wichtigen Wirkungsbereich.

Als Framework dienen hier die Sustainable Development Goals, die ja auch für Reflecta eine wichtige Rolle spielen. Bei uns kann man als Impact Investor im Prinzip einzelne SDGs „kaufen“, zur Zeit haben wir 11 von 17 Wirkungszielen „im Angebot“. Wir werden das nach dem Event launchen. Dann bringen wir unseren Impact Token raus. Den kann man dann für ca. 30 Dollar kaufen, um damit einer Familie in Sub-Sahara-Afrika für ein Jahr Strom zu ermöglichen.

Crowdinvesting ist ja ein Schwerpunkt-Thema bei eurer Veranstaltung, der Mehrwert für alle ist der Effekt eines gemeinsamen Wandels. Wer bei uns mitmacht bekommt sehr transparent und praktisch „live“ mit was wir (mit dem Geld) im Sahel bewegen. Das berührt unsere mittlerweile über 5.000 Crowdinvestor:innen. Manche haben sich zu einer eigenen Community zusammengetan und feiern die Projekte und Meilenstein mit uns bei Social Media.

Es ist eine Art „Bewegung“ geworden, die sich hinter dem gemeinsamen Wunsch vereint, etwas zu tun, zu handeln und nicht nur zu lamentieren. Also im Prinzip genau die Idee des Impact Investing. Mit seinem Geld etwas Gutes, etwas Konkretes zu bewirken.


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Wie sorgt ihr für eine effektive und nachhaltige Zusammenarbeit mit den lokalen Mitarbeitenden und Partnern?

Effizienz steht nicht an erster Stelle. In den Regionen, in denen wir arbeiten, braucht man vor allem Geduld und eine Menge Spiritualität. Zwei Dinge, die man erstmal lernen muss, wenn man vor Ort arbeitet. Dadurch, dass wir Basisinfrastruktur rein auf erneuerbaren Ressourcen bauen, die für fast alle Menschen und Anwendungen Grundvoraussetzungen sind, ist die Nachhaltigkeit hier schon als Basis gegeben.

Für die Mitarbeitenden gilt besonders eine gute und pragmatische Ausbildung, die auch die sehr schlechte Bildungs-Ausgangssituation berücksichtigt. Gerade vielen jungen Menschen fehlt es an Erfahrung mit Prozessen, mit Körperhygiene und Dingen, an die man bei uns nicht denkt.

Im Feld, im Dorf spielen Traditionen, Religion und ethnische Gegebenheiten eine große Rolle, da muss man sehr taktvoll und integrativ arbeiten.

Ein nagelneuer Brunnen für eine Gruppe von Frauen, den sich ein Entwicklungshelfer ausdenkt, kann da eben mal von diesen zerstört werden, weil sie dadurch den Grund verlieren, 4-5 Std. gemeinsam zu einer Wasserstelle zu laufen, um von der Gewalttätigkeit ihrer Ehemänner zu Hause zu entfliehen.

Wie trägt Africa GreenTec zu den Nachhaltigkeitszielen der UN bei?

Wir sind zunächst holistisch unterwegs, d.h. wir betrachten Probleme nicht singulär oder isoliert, sondern auch in den Wechselwirkungen. Wenn in einem Dorf z.B. die einzige Wasserquelle ein mit Würmern verseuchter Fluss ist, hat Strom nicht die oberste Priorität, sondern die Aufbereitung von Trinkwasser. Versorgt man ein Dorf mit Strom, ohne die Nachbardörfer auf dem Schirm zu haben, kommt es zu Eifersucht.

Wir analysieren unsere Standorte daher nach den komplexen Herausforderungen in der konkreten Gegend. Letztlich sind aber alle technischen Anwendungen und Services auf erneuerbarer Energie aufgebaut. Deshalb haben wir auch eine eigene Theory of Change erarbeitet, also die Wirkungszusammenhänge und die sekundären Effekte unserer Arbeit mit in die Umsetzung integriert.

Welche kurz- und mittelfristigen Ziele hat Africa GreenTec?

Kurzfristig geht es für uns jetzt erstmal ums „Überleben“. Wir haben im Sahel, dort insbesondere in Tchad, Niger, Mali und Senegal über 90% unserer Assets/ Investitionen. Aus dem Tchad mussten wir uns letztes Jahr bereits mit sehr hohen Verlusten zurückziehen, nachdem der dortige Präsident ermordet wurde. Im Niger hat sich gerade eine Revolution gegen den Westen, vorwiegend gegen Frankreich entzündet, der sich aktuell zu einem Flächenbrand ausbreitet und auch auf die Nachbarländer übergreift.

Wir müssen jetzt versuchen, unsere laufenden Projekte zu retten, unsere Mitarbeiter zu stabilisieren und die Sicherheitslage für uns täglich neu bewerten.

Mittelfristig brauchen wir vermutlich neue Finanzierungskonzepte und Partner, denn die politischen Veränderungen sind geopolitisch eine Art Achsen- oder Phasenverschiebung. Die Region wendet sich von Europa und den USA ab und sucht neue Partner in den BRICS-Staaten, vor allem China, Russland, die Türkei und zunehmend Indien sind hier bevorzugt.

Wir stellen daher im Moment auch unser Geschäftsmodell stärker auf größere Projekte um, wo die Finanzierung gesichert ist. Aktuell bauen wir für das UNHCR drei große Solaranlagen, die Dieselgeneratoren in Geflüchteten-Lagern ersetzen. Mit der Solarbakery steigen wir jetzt zudem in weitere Erlösquellen ein, die sich schneller amortisieren als die reinen Stromerzeugungsanlagen.

Entwickle eine klare Haltung und konzentriere dich auf dein Ziel.

Was wäre deine wichtigsten Ratschläge für angehende Social Entrepreneurs?

Am Anfang, solange man noch keine großen Kosten hat und vielleicht sogar noch einen Job nebenbei hat, spürt man die Diskrepanz des Systems nicht so stark. Man bewegt sich sogar ein Stückweit in einer Wohlfühl-Bubble, glaubt man gehört zu den „Guten“. Aber spätestens in den ersten Skalierungsschritten holt ein das bestehende System ein und man muss sich entscheiden auf dem bestehenden Finanzsystem und dessen Mechanismen aufzusetzen und trotzdem gute Wirkungsziele und Gemeinwohlziele zu erreichen, aber im Kern ein profitables Geschäftsmodell aufzubauen oder man bleibt in der Charity und Spenden-Bubble, wo die Almosen der Corporates und Reichen verteilt werden, um die sich eine ganze Hilfeindustrie streitet, wie der Bonbon-Regen im Karneval.

Ich habe sehr stark für ein drittes, ein neues System gekämpft, Social Entrepreneurship als postkapitalistisches System, aber im Wettbewerb mit Öl- und Gaskonzernen, mit börsennotierten Konzernen kann man nicht bestehen, wenn man nicht nach deren Regeln spielt. Das war eine bittere Erkenntnis.

Mein Ratschlag wäre daher: Für sich selbst eine klare Haltung entwickeln und einen starken Fokus auf das, was man mit seiner Idee, mit seiner Firma erreichen will. Das kann ein vermeintliches Nischen-Thema sein, mit dem man aber eine ganze Industrie verändert.

Aktuell habe ich zwei Gründer, Simon von der Solarbakery und Moritz von Sochili, dabei begleitet, genau das zu tun. Beide arbeiten an einer sehr spezifischen Idee/Industrie und verändern diese durch „Leading by Example“. Diese Social Entrepreneurship-Guerilla-Taktik halte ich für effektiv und zukunftsweisend. Wir haben uns mit Infrastruktur eines der schwersten Themen herausgesucht.

Was ich bei vielen Leuten auch sehe, ist, dass man auf seine mentale Gesundheit aufpassen muss. Man kommt sehr oft an Grenzen und 60% der Sozialunternehmer:innen sind dem Burnout nahe. Das liegt auch oft daran, dass man den sozialen und globalen Problemen sehr nahekommt. Im Wort-Sinne.


Und zu guter Letzt: Wie kann man euch unterstützen, um Africa GreenTec weiter voranzubringen?

Viele Leute, die uns kennen glauben, dass wir sehr bekannt sind, allerdings leider nur in unserer Bubble, also Reichweite ist weiter ein echter Mehrwert. Liken, Teilen, Kommentieren auf allen Social Media Kanälen.

Wer Investitionskapital übrig hat und bereit ist auch Risiken einzugehen, der kann an einer der zahlreichen Crowdinvesting-Projekte teilnehmen. In der nächsten Zeit sind das festverzinsliche Darlehen für Projekte, hauptsächlich im Senegal.

Auf www.africagreentec.investments findet man spannende Angebote

Torsten Schreiber auf reflecta.network

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